Die Sonderprüfungen der legendären „Semperit-Rallye“ verzaubern immer mehr Piloten und Fans. Beim Finale der Austrian Rallye Challenge in Dobersberg werden wie im Vorjahr zahlreiche Fans erwartet. Sie sehen das WRC-Debüt des 46-jährigen Quereinsteigers Gerald Rigler und drücken Michael Kogler im technisch ungleichen Titelduell gegen den Ungarn Daniel Fischer die Daumen. Es ist angerichtet...
Fotos: Harald Illmer (2), Robert May (2)
„Im Vorjahr war ich als Zuschauer bei der ersten Herbstrallye in Dobersberg – ich war dermaßen begeistert von diesen geschichtsträchtigen Sonderprüfungen, dass ich heuer unbedingt starten wollte.“ – Alfred Leitner gehört zu jener großen Gruppe an Fans und Aktiven, die von den selektiven Straßen im nördlichsten Waldviertel geradezu magisch angezogen werden.
Kein Wunder: Schließlich wird das Saisonfinale der Austrian Rallye Challenge (ARC) auf Strecken gefahren, die schon Teil der legendären Semperit-Rallye waren, bei der in den 1980er- und 1990er-Jahren die Creme der Rallyeszene die Fans verzückte - von Georg Fischer über Franz Wittmann bis hin zu Walter Röhrl.
Nach dem großen Erfolg der im Vorjahr relativ kurzfristig nach Dobersberg übersiedelten Herbstrallye wurden heuer zwei weitere Sonderprüfungen mit „Semperit-Vergangenheit“ hinzugefügt: Die 12,68 Kilometer lange SP „Schönfeld-Gr. Taxen“ sowie die 10,64 Kilometer lange SP „Niederedlitz-Münchreith“.
Die SP „Niederedlitz“ kennt Alfred Leitner sogar noch aus seiner frühen Rennkarriere: „Ich bin hier 1995 mit einem Suzuki Swift gefahren – die Prüfung ist nahezu gleich geblieben, nur die Bäume sind größer geworden“, lacht der Peugeot-Pilot. Er findet: „Für mich ist diese Herbstrallye in der Gegend rund um Dobersberg die eigentliche Waldviertel-Rallye, denn hier war sie immer zuhause.“
Eines wurde beim Besichtigen klar: Sowohl die Prüfungen aus dem Vorjahr als auch die neu hinzugefügten Strecken präsentieren sich aufgrund der zurückliegenden Regentage selektiv und mitunter voller Tücken – zwar hat es am Besichtigungstag nicht mehr geregnet, doch in den Waldpassagen wird es nicht so schnell auftrocknen, so lauern mitunter schlammig-rutschige Passagen auf die Piloten. Die Meteorologen sagen für den Samstag zunächst Bewölkung voraus, über Mittag könnte die Sonne die Temperaturen steigen lassen, doch am Nachmittag ist im Grunde alles möglich. So scheint beim Grande Finale der ARC ein dramatisches Finish so gut wie sicher zu sein…
Rigler: WRC-Premiere nach nur vier Jahren Rallyesport:
Wenig dramatisch, sondern vielmehr locker und unaufgeregt blickt Gerald Rigler seinem ersten Start in einem World Rally Car entgegen - noch zu in exakt jenem Ford Fiesta WRC, mit dem sich zuletzt Hermann Neubauer zum neuen Staatsmeister krönte. Rigler möchte „nur das Fahren genießen“, nach einem ersten Rollout ist er sogar überzeugt: „Das WRC ist einfacher zu fahren als der S2000. Zwar kommen wir bei Topspeed ähnlich wie mit dem S2000 in den Begrenzer, doch aus den Kurven heraus sollte uns das starke Drehmoment des WRC helfen.“
Gerald Rigler ist nicht unbedingt der Prototyp eines Rallyepiloten – auch was die Statur anbelangt. Doch vor der WRC-Premiere wirkt er dann doch etwas schlanker als gewohnt – hat er für den WRC-Einsatz gar Trainingseinheiten hinzugefügt? Die Antwort ist geradezu typisch für den 46-Jährigen: „Nein, ich hatte Rückenschmerzen und daher einfach nur weniger Appetit.“ Dass er vor vier Jahren in den Rallyesport kam, liegt einzig und allein daran, dass er nach einem Unfall mit der Enduromaschine „noch nicht gehen“ konnte. Auch im Rallyeauto blieb Rigler seinem draufgängerischen Fahrstil treu – die Fans lieben ihn dafür. Am Samstag bestreitet er die 30. Rallye mit seinem Copiloten Martin Rossgatterer, betont er.
Foto: Robert May
Ob er sich bei seinem späten Rallyedebüt vorgestellt hat, dass er ein paar Jahre später ein World Rally Car, die Königsklasse des Sports pilotieren wird? Rigler schüttelt lachend den Kopf: „Daran habe ich überhaupt nicht gedacht – das hat sich hier einfach ergeben und ich werde ganz sicher nicht im nächsten Jahr WRC fahren, denn das ist nicht finanzierbar. Daher genieße ich die Fahrt am Samstag umso mehr.“
Rigler gilt für den Gesamtsieg als Topfavorit, dazu kommen starke Piloten wie Maximilian Koch auf einem Skoda Fabia S2000 oder Martin Fischerlehner, der bei der spannenden Herbstrallye im Vorjahr in Führung liegend von der Strecke flog, auf der allerletzten Prüfung….
ARC-Titelduell: Daumen drücken für Michael Kogler:
Spannung verspricht auch das ungarisch-österreichische Duell um den ARC-Titel: Wobei Michael Kogler im zweiradangetriebenen Citroen die technisch eindeutig schlechteren Karten in der Hand hält – denn sein Gegner Daniel Fischer aus Ungarn pilotiert einen bärenstarken Subaru mit Allradantrieb.
Michael Kogler erzählt erstaunt: „Es haben mich unheimlich viele Leute auf das Titelduell angesprochen und mir gesagt, dass sie mir die Daumen drücken – das ist natürlich großartig. Man muss halt auch die technischen Voraussetzungen betrachten und da habe ich aus eigener Kraft so gut wie keine Chance – zumal ich beim Besichtigen wegen der schlammigen Passagen auch keine Stellen finden konnte, wo ich fahrerisch etwas Boden gutmachen könnte. Die Wetterbedingungen sind derzeit schlecht für ein Auto mit Zweiradantrieb.“
Es ist vielmehr erstaunlich, dass Kogler mit seinem 2WD-Auto überhaupt in die Lage kam, um den Gesamttitel der ARC zu kämpfen. Aus eigener Kraft kann er wenig tun – doch schon im Vorjahr war Daniel Fischer Favorit auf den ARC-Titel, doch nachdem er disqualifiziert werden musste, durfte plötzlich und unerwartet Julian Wagner als ARC-Champion jubeln...
Rasender Fotograf:
In der Austrian Rallye Trophy für modernere Fahrzeuge werden mit Markus Steinbock und Peter Brandstätter zwei Oberösterreicher um den Titel kämpfen, Außenseiterchancen hat auch Thomas Pyringer – und, wenn die drei genannten Piloten ausfallen sollten, sogar noch Martin Fischerlehner, der heuer nicht alle Rallyes bestritten hat. In der Junior-ARC steht bereits Marvin Lamprecht als Meister fest.
Die Historischen eröffnen traditionell die Sonderprüfungen, der Historische Rallye Cup wird wie auch der Österreichische Rallye Cup und die Niederösterreich Rallye Trophy erst beim ORM-Finale entschieden.
Foto: Robert May
Immer mehr auf den Geschmack kommt Rallyefotograf Matthias Österreicher. Er kehrt an jenen Ort zurück, an dem er im Vorjahr seine erste echte Rallye absolviert hat, damals noch in einem R1-Auto. Am Samstag zündet der rasende Fotograf jenen Wurmbrand Racing Citroen DS3 R3, mit dem er zuletzt bei der Braustadt Burg Rallye Zwettl mit dem 19. Gesamtrang und Platz drei in der Klasse aufhorchen ließ. Sein Fanklub ist groß wie die eingangs erwähnte Gruppe der Semperit-Fans – und so werden am Samstag wohl viele Menschen gen Norden pilgern…
> Zeitplan Herbstrallye Dobersberg 2016
Michael Noir Trawniczek
Pressedienst Herbst Rallye Dobersberg 2016 |